RÜSSELSHEIM – Wer weiß schon, dass Richard Wagner vor überschäumender Begeisterung seine Sänger mit Küssen überhäufte oder ins Freie rannte, um auf einen Baum zu klettern?
Diese und andere Anekdoten erzählte Rainer Zagovecs Moderation dem zum 200-jährigem Wagner-Jubiläum zahlreich erschienenen Publikum im Rüsselsheimer Theater. Mit einer großen Wagner-Gala, die sich aus den berühmten musikalischen Ohrwürmern speiste, konnte das Publikum ein festliches und mitreißendes Konzert genießen.
Die Thüringen Philharmonie Gotha unter der Leitung von Hermann Breuer war in großer Besetzung erschienen, um beispielsweise das Vorspiel zum ersten Aufzug der „Meistersinger“ zu spielen, oder die Ouvertüre des „Fliegenden Holländers“ zum Besten zu geben. Hier zeigte sich die Qualität des Orchesters. Dynamisch etwas schwerfällig, konnte Hermann Breuer zwar das „Wagnereske“ deutlich herausarbeiten. Sein Orchester klang majestätisch und wuchtig. Eine federnde Leichtigkeit oder klangschöne Weichheit war jedoch seltener zu hören. Breuer zeigte wie gewohnt eine sichere Hand in der Wahl seiner Tempi. Leider gaben die Blechbläser in den lyrischen und leisen Passagen oft missliche Töne von sich.
Der aus Niederösterreich stammende Tenor Ernst Lintner verstand es, mit seiner großen und langjährigen Erfahrung die gefürchteten Klippen der Gralserzählung (Lohengrin) oder die des Rienzi-Gebetes geschickt zu meistern. Strahlende Höhen und seine hervorragende Textverständlichkeit konnten überzeugen. So waren seine musikalischen Beiträge ein Beweis, dass man jedes gesungene Wort eines Opernsängers verstehen sollte und auch kann.
Die Königin des Abends war zweifellos Christine Bath. Mit leuchtender Durchschlagskraft und sicherer Höhe gelangen besonders gut die Ballade der Senta (Fliegender Holländer) und die Hallen-Arie der Elisabeth aus Wagners Tannhäuser. Sie sang mit Verve und eroberte das Publikum.
Die chorischen Ohrwürmer wurden in die Hände des MGV „Liederkranz“ Haßloch gegeben. Der Männerchor und der noch junge Ableger „CantaRona“ teilten sich die Aufgaben. So war die stimmliche und jugendliche frische Farbe im Brautchor (Lohengrin) und im Spinnerinnenchor (Fliegender Holländer) bei „CantaRona“ absolut überzeugend. Hier hatten unter der Leitung von Bianca Heintze die jungen Stimmen alle Sympathien des Publikums gewonnen. Deutlich schwächer war die Leistung des Männerchores in „Steuermann lass die Wacht“. Wo selbst gestandene Opernchöre alles geben müssen, reichte das klangliche Volumen nicht immer aus, um über das voll und lautstark aufspielende Orchester zu kommen. Kaum verständlich und im großen Tannhäuser-Finale mit Pilgerchor endgültig untergehend, blieb die Leistung des gesamten Chores weit hinter der des hervorragenden Herbstkonzerts zurück.
Das Konzert endete mit einer Zugabe, die dem anderen großen Jubilar von 1813 gewidmet war. Der Gefangenenchor aus Giuseppe Verdis „Nabucco“ vereinte alle Teilnehmer.
„Mainspitze 10.12.2013“