Operngala – Im Stadttheater sorgt vor allem die Mischung aus Alt und Jung für Belebung
Die erste Programmhälfte war ausschließlich Ausschnitten aus Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ vorbehalten. Durch Rainer Zagovecs Moderation bestens informiert, verfolgten die Besucher im etwa zu zwei Dritteln besetzten Stadttheater die Geschichte des Jägerburschen Max und der Förstertochter Agathe mit besonderem Interesse.
Bereits die Ouvertüre, von der Thüringen Philharmonie unter Hermann Breuers Leitung klangschön gespielt, fasste mit plastischer sinfonischer Intensität das Operngeschehen zusammen: Hörnerromantik, gespenstisches Tremolo zur Charakterisierung des bösen Samiel, Agathes zartes Liebesthema, prasselnde Gewitterstürme in der Wolfsschlucht, banges Zweifeln und hymnischer Schlussjubel als fesselnde Klangrede.
Alexander Spemann, vom benachbarten Mainzer Staatstheater kurzfristig für den erkrankten Thomas Haaks eingesprungen, vermittelte die Qualen, Verstrickungen und Rückerinnerungen des unglücklichen Max mit tenoraler Eindringlichkeit und großem Einfühlungsvermögen.
Über einen schönen Sopran mit warmem Timbre verfügt die junge, in Stockholm geborene Nachwuchssängerin Susanne Ekberg. Mit der schwierigen Partie der Agathe und ihrer großen Szene „Wie nahte mir der Schlummer“ hat die noch nicht ganz gefestigte Stimme indes noch ihre Probleme. Elena Daniela Mazilu verleiht dagegen dem putzmunteren Ännchen, gestützt von der ausgezeichneten Solo-Bratsche, in der Schauer-Romanze „Einst träumte meiner sel’gen Base“ Anmut und Charme.
Da lassen sich die Herren des Männergesangvereins Liederkranz Rüsselsheim-Haßloch nicht lange bitten und wetteifern beim Jägerchor nach Herzenslust mit den schmetternden Waldhörnern. Rasch zieht nach der Pause Mozarts „Figaro“-Ouvertüre vorüber, und Susanne Ekberg sinniert als Gräfin über die Untreue ihres Mannes. Danach setzt der Bassist Lothar Fritsch in der Arie des Osmin („Solche hergelaufenen Laffen“) aus Mozarts „Entführung aus dem Serail“ seine ganze Erfahrung ein. Alexander Spemann findet als Florestan aus Beethovens „Fidelio“ für die rezitativischen und ariosen Abschnitte zu großer Ausdruckskraft, gipfelnd in grandiosen Spitzentönen bei den visionären Aufschwüngen, die den im Kerker schmachtenden Florestan „zur Freiheit, ins himmlische Reich“ führen.
Wenig seriös wirken hier die vorgenommenen Streichungen der Sinn tragenden Orchester-Introduktion und des von Beethoven als resignierendes Zurücksinken auskomponierten stillen Nachspiels. Vielleicht wollte man ja die Schwatztanten im Publikum bestrafen und ihnen die Möglichkeit zu munteren Plaudereien bei orchestralen Einwürfen nehmen.
Äußerst erfolgreich war der Auftritt des gemischten Chores „CantaRona“: Unter der Leitung von Bianca Heintze haben sich über 60 jetzige und ehemalige Schüler, Lehrer, Eltern und Freunde der Max-Planck-Schule zusammengefunden und beim Haßlocher „Liederkranz“ eine Heimat gefunden, wovon auch der Chorname „Cantarona“ als Wortschöpfung aus den lateinischen Begriffen „cantare“ und „corona“ zeugt.
Auswendig singend, mit feinster Diktion und Tonreinheit, ließen die Choristen in einem hübschen Chorsatz aus Dvoraks „Russalka“ sorgfältigste Vorbereitung, hohe chorische Disziplin und Motivation erkennen. Pathos und stimmliche Präsenz verbreitete der Männerchor im Chor der Kreuzfahrer aus Verdis „Die Lombarden“.
Zuvor hatte Elena Daniela Mazilu mit ihren funkelnden, federleichten Spitzentönen und artistischer Stimmkunst als Manon (Jules Massenet) für den Höhepunkt der Operngala gesorgt, die am Ende im klangprächtigen Gebet aus Rossinis „Moses“ nochmals alle Mitwirkenden auf der Bühne versammelte und in die Zugaben einmündete: Trinklied aus „La Traviata“ und Gefangenenchor aus „Nabucco“ als Vorausblick auf das Verdi-Jahr 2013.
“Rüsselsheimer Echo 11.12.2012″